Brandenburger Jakobswege Aktuelles

Wie es zu 1.315 Kilometern durch Deutschland kam - Marias Pilgerweg

Die 25-Jährige Maria pilgerte nach ihrem Studienabschluss und Auslandspraktikum 2021 direkt aus ihrer Heimat, der schönen Uckermark, los. Der Weg führte sie zunächst auf den Jakobsweg entlang der frisch ausgeschilderten Via Imperii von Schwedt/Oder nach Berlin.

 

Insgesamt wanderte sie 1.315 Kilometer auf den Jakobswegen in Deutschland. Wie ihre Reise begann und wie es dazu kam lest ihr hier:

 

Wie es zu 1.315 Kilometern durch Deutschland kam

 

"Das werde ich übrigens oft gefragt, wie ich denn auf das Pilgern gekommen bin.

 

Fangen wir mal von vorne an - ich sah vor einigen Jahren im Fernsehen eine Reportage über eine junge Frau, die mit einem Rucksack auf dem Rücken eine Fernwanderung machte oder sich auf eine Pilgertour begab – das Detail weiß ich nicht mehr genau. Was ich jedoch noch genau weiß, dass mich diese Leichtigkeit und Unabhängigkeit in diesem Abenteuer sowie das ständige Draußensein und die durchgängige Bewegung sehr ansprach und ich schon damals dachte: „Das möchte ich auch machen!“.

 

Ich steckte damals mit 17 Jahren inmitten meines Abiturs, wusste aber, dass ich auch einmal mit einem Rucksack auf dem Rücken wandern gehen möchte. Ich bin ein Dorfkind und Naturmensch, welcher es schon immer geliebt hat, lange Strecken zu laufen. Ich wurde oft von Freunden bei Spaziergängen ausgebremst und Sprüche wie „Renn´ doch mal nicht so!“, „Was? So weit willst du noch gehen?“  und „Ich habe jetzt schon Muskelkater!“ begleiteten mich. Diese Sprüche motivierten mich jedoch und steigerten bei mir die Lust auf das Laufen, Mehrtagestouren und auf das „Unterwegssein“. Sie bekräftigten mich unterschwellig, dass ich es auch körperlich schaffen könnte.

 

Nach und nach befasste ich mich damit, wobei ich auf das Netzwerk der alten Handelsstraßen des Jakobusweges gestoßen bin. Mit dieser Idee im Kopf absolvierte ich mein Abitur und wusste genau, dass ich anschließend erst einen Beruf erlernen möchte, bevor ich mich auf große Reise begebe. Gesagt, getan. Ich studierte an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde meinen Bachelor im Studienfach „Regionalmanagement“, wonach ich überlegt habe, nun endlich pilgern zu gehen! Jedoch nagten mein Ehrgeiz und meine Lust auf das Lernen (und das übrigens nicht zu verlernen) an mir. Da wusste ich: ich möchte nach meinem Bachelor meinen Master als Spezialisierung studieren – in Erfurt – die zu meiner Herzensstadt und zweiten Heimat geworden ist. Danach geht es dann aber wirklich los!

 

Halt, noch nicht ganz! Ich lernte in meinen letzten Studiensemestern Polnisch, da ich auch Auslanderfahrung mitnehmen und eine weitere Sprache erlernen wollte. Weshalb Polnisch werde ich dann oft gefragt? Ich komme gebürtig aus Schwedt/Oder, wobei die Stadt an Polen grenzt – getrennt durch die Oder. Da die Polen zumeist mehr Deutsch als wir Polnisch sprechen können, wollte ich das für mich ändern. Ich absolvierte ein Auslandspraktikum in einem Unternehmen in Szczecin, was sich durch die Corona-Pandemie etwas schwieriger gestaltete als angenommen. Ich arbeitete die meiste Zeit aus dem Homeoffice heraus. Die Zeit war sehr spannend, da ich nebenbei endlich meine Pilgertour planen konnte! Denn es ging nach meinem Auslandspraktikum nun endlich loooooos!?

 

Und so ist es schlussendlich auch gekommen. Mir war wichtig, dass ich etwas in der Hinterhand und einen Beruf erlernt habe und mich dann nach meinem erfolgreich absolvierten Master-Abschluss auf meine Reise begeben kann, bevor ich in das Berufsleben einsteige.

 

So standen den (final gelaufenen) 1.315 Kilometern nichts mehr im Wege!

 

Nur ein kleines Detail fehlt in meiner Geschichte noch. Mein Plan A sah es für mich vor, in Spanien zu pilgern. Durch Corona ahnte ich jedoch die schlechte Planbarkeit und entwickelte sofort meinen Plan B, in Deutschland zu pilgern. Ich bereue es nicht und freue mich so sehr, das vielfältige Deutschland so wunderbar „wanderbar“ erlebt zu haben ?

 


Maria Feske auf Pilgertour, Foto: M. Feske (privat)

 

Die ersten Tage auf meiner Pilgertour

 

"Ich startete genau am 27. Mai 2021, ein von mir frei ausgewählter Tag. Im April 2021 beendete ich mein Auslandspraktikum, im Mai wurde mein Plan finalisiert und der 27. Mai rückte immer näher. Ich weiß es noch, als wäre es gestern! Eine Woche zuvor begann meine Familie so richtig zu realisieren, dass es für mich bald losgeht – und ich verstand es auch! Sprüche wie „Ach Maria, bleib` doch lieber hier.“ und „Das willst du alles allein pilgern?“ hörte ich zunehmend. Ich hatte mir das alles genau überlegt und hatte große Lust auf die Tour!

 

Nach meinen beiden Probe-Pilgertouren (wie ich sie gern nenne), habe ich nochmal meine Schuhe, mein Sockensystem und meinen Rucksack überdacht – leichtere Schuhe, doppeltes Sockensystem und ich optimierte meinen Rucksack auf 10,5kg ohne Essen / Trinken.

 

Am 27. Mai 2021 war es dann so weit, es war ein Donnerstag und meine Mutti fuhr mich vor ihrer Arbeit nach Gartz/Oder, von wo ich auf dem Deich startete. Die Strecke von meinem Heimatdorf nach Gartz bin ich bereits „probegepilgert“. Es war tatsächlich ein befremdliches Gefühl, so allein und mit Gepäck loszupilgern und dabei zu wissen, dass ich circa die nächsten zwei Monate nichts anderes machen werde als LAUFEN und mir bis mindestens Erfurt die Strecke erlaufen werde, die ich sonst mit dem ÖPNV erfahre.

 

An meinem ersten Pilgertag lief ich über den Oder-Deich von Gartz/Oder nach Schwedt/Oder. Ich bin nicht den „richtigen Pilgerweg“ gelaufen, da ich gern auf dem Deich die Flora und Fauna genießen wollte, den Weg schon kannte und so in die Nationalparkstadt eintreffen wollte. Ich besuchte die Tourist Information in Schwedt und erhielt meinen ersten Pilgerstempel und lief dann weiter zu meiner Pilgerunterkunft - meinen Großeltern, die schon auf meine Ankunft warteten. Sie fieberten mit mir mit und fragten mich über meinen ersten Tag aus – es waren ja auch „nur“ 22 Kilometer. Ich weiß noch recht genau, dass ich an meinem ersten Pilgertag sehr früh ins Bett ging, da ich sehr müde war. Ich überlegte, an was ich am nächsten Tag alles denken musste und legte mir schon alles zurecht – meine Anziehsachen, Proviant, Wasser und mein Tape und Pflaster, um meine Füße so gut es geht vor Blasen zu schützen.

 

Der erste Tag war „gelaufen“ und ich fühlte mich schon sehr verändert, da sich alles so neu anfühlte.

 

Mein zweiter Tag startete mit einem Frühstück bei meinen Großeltern, wonach ich gegen 8 Uhr startete. Heute ging es weiter auf dem Deich über Zützen, Criewen, Stützkow, Stolpe nach Stolzenhagen, wo ich auf einem Eselhof übernachtete. Meine Großeltern besuchten mich tagsüber ein paar Mal auf dem Fahrrad und sie begleiteten mich ein Stückchen. Kurz vor Stützkow hielt jemand von der Naturwacht hinter mir an und fragte mich, ob er mich ein Stückchen mitnehmen solle. Ich verneinte, da ich ja zu Fuß unterwegs sein wollte. Eine lustige Begegnung war es dennoch!?

 

In Stolpe auf dem Stolper Turm aß ich meine selbstgemachten Brote und ging dann weiter nach Stolzenhagen, wobei ich von dem Aussichtspunkt am Stolper Turm die Stolzenhagener Brücke schon erkannte. Ab kurz vor Stolpe lief ich nun endlich auf dem Jakobsweg „Via Imperii“. Angekommen am Eselhof meldete ich mich bei der Eigentümerin, die mir alles zu meiner Unterkunft erklärte. Ich sollte die kommende Nacht in der „Knechtstube“ verbringen, was ein (leicht) ausgebauter Dachboden über dem Heuboden war. Ich stellte meine Sachen ab – es gab ein altes Bett und eine Waschmöglichkeit mit kaltem Wasser aus einem Krug. Anschließend machte ich mich frisch und guckte mich im Dorf um und kaufte auf dem Hof „Stolze Kuh“ einen Joghurt für das Abendbrot und Frühstück. Gesagt, getan. Anschließend schrieb ich mein Tagebuch direkt an der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße (HoFriWa), wo urplötzlich mein Opa vor mir stand. Er wollte mich besuchen und wir erzählten ausgiebig, bevor wir die Stolzenhagener Kirche besichtigten und er mich wieder zum Eselhof brachte. Ich muss sagen, dass ich mit den ständigen Besuchen und den sich anschließenden Abschieden nicht so gut umgehen konnte. Das stimmte mich sehr traurig, da meine Familie zu mir kam und sich im nächsten Moment wieder verabschiedete – ich fühlte mich wie zurückgelassen und war traurig. Als ich in meiner Knechtstube ankam, ereignete sich das nächste Erlebnis, was meine Situation nicht gerade verbesserte. Ich wollte ein Fenster öffnen, was stark eingerastet war. Dabei weckte ich einen Mader auf, der unter der leichten Verkleidung des Daches schlief. Er schaute mich mit seinen großen Augen an und am Holz zeichneten sich seine kleinen Pfötchen ab. Wir erschraken beide!

 

Das war für mich eine ungewöhnliche Situation, da ich zwar nichts gegen Tiere einzuwenden habe, aber nicht unbedingt mit Maus und Mader zusammen schlafen wollte. Naja, es half alles nichts.

 

Ich putzte mir die Zähne, machte Katzenwäsche mit kaltem Wasser in meiner provisorischen Spüle und lag dick eingepackt im Bett in meinem Schlafsack. Ich schlief lange nicht ein, freute mich jedoch, als es endlich um 7 Uhr morgens war und ich endlich aufstehen konnte."

 

Tag 2

"Der Folgetag lief bedeutend ruhiger ab – ab jetzt lief ich durchgängig auf der Via Imperii. Ich lief von Stolzenhagen zurück nach Stolpe, von dort über Crussow nach Angermünde. Es war ein großartiges Gefühl, dort angekommen zu sein, da ich die mir bekannten Orte und Städte auf einmal aus einer ganz anderen Perspektive betrachtete. Diese Beständigkeit im Laufen und dass ich mir alles „erlaufe“ realisierte ich erst nach und nach. Ich besuchte den Naturkostladen „Wildblume“ in Angermünde und setzte mich ans Kloster. Zwischendurch lüftete ich immer meine Füße, da ich speziell in den ersten Tagen leichte Blasen bekam. Das stellte sich ein Glück über die Zeit ein und ich war blasenfrei!?

 

Nach einer kurzen Pause ging es über Schmargendorf und Klein Ziethen nach Groß Ziethen. Dort wurde ich sehr herzlich aufgenommen von der Pfarrerin Cornelia Müller. Sie begrüßte mich und erzählte mir, dass ich die erste Pilgerin nach der Fertigstellung der Pilgerunterkunft im Gemeindehaus bin. Wow! Ein ganzes Haus nur für Pilger, ich war überwältigt und begeistert und freute mich natürlich riesig, dass ich dort schlafen darf. Es gab eine große Küche, Bäder und viele Räume. In einem standen zwei Betten, wobei das eine für mich schon hergerichtet war. Ich freute mich sehr. Ich richtete mich etwas ein, wusch meine Wäsche mit der Hand und schrieb mein Pilgertagebuch in dem schönen Pfarrgarten. Auf den Stühlen hat es mich nur nicht lange gehalten, da ich mir den Pfarrgarten genauer ansehen wollte. Während meiner Erkundigungen sah ich eine Wäscheleine, wo ich dann auch meine Wäsche auf hing. Ein schöner Ort!

 

Wie der Zufall es so wollte, stand dann ganz spontan mein Opa wieder vor mir. Er kam mich besuchen und kannte zufälliger Weise auch noch die Pfarrerin. Die Welt ist so klein! Später aß ich zu Abend und schlenderte durch den Garten, der so herrlich ruhig und grün war! Anschließend legte ich mich in mein Bett und dachte über die Gegensätze nach – wie der gestrige Tag und der heutige Tag war. Ich fühlte mich heute nicht mehr ganz so verlassen.

 

Aber erst richtig prägend sollte der Tag danach werden – ich lief von Groß Ziethen über Buchholz und Serwest nach Brodowin. Von dort ging es weiter über das Kloster Chorin, Sandkrug, die alte Handelsstraße mit Kopfsteinpflaster nach Eberswalde. Immer entlang am Oder-Havel-Kanal. Da legte ich im Wald eine Pause ein und recherchierte nach zukünftigen Unterkünften. In dem Moment schrieben meine Eltern, dass sie in Erwägung ziehen, nach Eberswalde zu kommen, um mich nochmal zu sehen. Ich freute mich und lief weiter nach Eberswalde, wo ich dann auf meine Eltern und auch auf meine Großeltern stieß. Es fühlte sich echt kurios an, ich kann es nicht anders sagen. Wir sahen uns also nochmal wieder nach drei Tagen, erzählten und gingen essen. Ich erzählte von meinen vergangenen Tagen und dass es sich manchmal etwas verrückt anfühlt, allein durch die Landschaft zu pilgern, den Schlafplatz täglich zu wechseln und am nächsten Tag weiterzulaufen. Es ist tatsächlich eine Gewohnheitssache, denn ab diesem Tag gewöhnte ich mich an die Situation und es fiel mir nicht mehr so schwer, meine Eltern und Großeltern zu verabschieden.

 

Ich muss aber zugeben, dass es auch an der großartigen Familie lag, bei der ich zufällig in Eberswalde nächtigen durfte. Ich habe sie über Facebook in einer Pilger-Gruppe ausfindig gemacht, da ich von der eigentlichen Pilgerunterkunft in Eberswalde eine Absage erhielt. Ich wurde sehr herzlich aufgenommen und sie waren stolz, eine Pilgerin beherbergen zu können. Wir erzählten noch lange am Abend, wonach ich müde ins Bett fiel.

 

Meine kommenden Tage wurden immer beständiger und ich gewöhnte mich zunehmend an das Unterwegs- und Alleinsein. Es wurde „leichter“, je mehr ich mich von meiner Heimat entfernte und ich nicht jeden Weg und Ort mit anderen Menschen und Erlebnissen assoziierte, sondern sich meine ganz eigenen Erfahrungen auf dem Weg bildeten."

 

Mein Erfahrungsbericht zur Via Imperii

 

"Bis Berlin-Marienfelde durfte ich auf der Via Imperii unterwegs sein. Meine Etappen waren folgende: Gartz/Oder – Schwedt/Oder – Stolzenhagen – Groß Ziethen – Eberswalde – Lobetal – Berlin.

 

Ich pilgerte somit durch die Uckermark und den Barnim bis nach Berlin in sechs Tagen. Mir gefiel der Weg sehr gut und das liegt nicht nur daran, dass ich eine geborene Uckermärkerin bin und meine Heimat liebe. Ich habe mich sehr gefreut, dass ich den frischen Beschilderungen folgen durfte, die erst im Frühjahr 2021, also kurz vor meiner Tour, fertig gestellt wurden. Ich habe mich sehr gut zurecht gefunden auf der Via Imperii, inmitten der leicht hügeligen Uckermark mit den weiten Feldern und noch weiteren Blicken. Die Unterkünfte plante ich mir immer Tag für Tag – in Schwedt/Oder schlief ich bei meinen Großeltern, die mit mir mit fieberten. In Stolzenhagen ergatterte ich auf dem Eselhof eine Unterkunft in der Knechtstube, in Groß Ziethen schlief ich im Ziethener Gemeindehaus bei der netten Pfarrerin, in Eberswalde nahm mich eine sehr liebenswerte Familie für eine Nacht auf, in Lobetal gewährte mir eine Familie mit zwei großen Hunden eine tolle Pilgerunterkunft und schließlich durfte ich in Berlin bei einer Freundin ein Dach über dem Kopf genießen. Zusammenfassend kann ich sagen, dass der Weg wirklich gut beschildert ist und ich ihn jedem ans Herz legen kann, der in einer besinnlichen Ruhe durch die Natur pilgern will fernab jeglichen Trubels – denn den sucht man in der Uckermark vergebens."

 

 

Fotos: M. Feske (privat)

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